Verein fürchtet um die Zukunft
(Köln, den 27. August 2021) Am Wochenende werden wieder Zehntausende aus der LGBTQI* Community in Köln auf die Straße gehen, um sich für ihre Rechte einzusetzen. Unter dem Motto: Für Menschenrechte.Viele.Gemeinsam.Stark! hat der Kölner Lesben und Schwulen Tag (KLuST E.V.) zur Demonstration aufgerufen. Auch die Aidshilfe Köln wird mit dabei sein. Der Verein, der seit 35 Jahren bedeutsame Arbeit im Bereich Prävention, Gesundheit und Antidiskriminierung für die Menschen in der Stadt Köln leistet und sich zum ersten Ansprechpartner beim Thema sexuelle Gesundheit entwickelt hat.
Während sich die Aidshilfe in ihren Anfängen primär nur um das Thema HIV/Aids gekümmert hatte, hat sich die Angebotspalette im Laufe der Jahre, auch dank des medizinischen Fortschritts, immer weiter ausgeweitet.
Normale Lebenserwartung dank medizinischen Fortschritts
Früher war Ziel einer HIV/Aids-Behandlung meist nur das Hinauszögern des Stadiums Aids, um Zeit zu gewinnen, bis es neue Therapieoptionen gab. Denn das Stadium Aids war gleichzusetzen mit einem Todesurteil. Drei- bis fünfmal täglich mussten die Infizierten damals Tabletten einnehmen. Dennoch schritt die Krankheit schnell voran und die Sterblichkeit war extrem hoch. Mittlerweile hat sich das geändert. Eine HIV-Infektion lässt sich gut behandeln, die Therapien sind verträglich, täglich müssen nur noch ein bis zwei Tabletten eingenommen werden. Und die Lebenserwartung ist bei einer guten Lebensqualität normal. 95 Prozent der Menschen in der heutigen Therapie sind mit ihrer Viruslast unter der Nachweisgrenze und können somit keine Infektion mehr übertragen. So sind beispielsweise auch normale Schwangerschaften, Geburten und das Stillen möglich.
Arbeit der Aidshilfe im Wandel
Mittlerweile beträgt der jährliche Haushalt des Vereins 2,1 Millionen Euro. Davon müssen jährlich 300.000 Euro an Eigenmitteln erwirtschaftet werden, um vor allem die Stellenanteile in der Verwaltung, im Test-Beratungsangebot des Checkpoints, der Öffentlichkeitsarbeit und im Eventmanagement zu finanzieren. Die Aidshilfe gehört damit zu einem der größten Anbieter auf dem Gesundheitssektor in der Stadt Köln. „Die Aidshilfe Köln ist für Menschen mit und ohne HIV und ihrer breiten Angebotspalette in den Bereichen Beratung, Test, schwule Community, Betreutes Wohnen, Sucht, Wohnformen, Schulaufklärung, Frauen- und Familienzentrum, queere Geflüchtete, Menschen ohne Papiere, sexuelle Bildung und Selbsthilfe mit ihren 34 Mitarbeitenden sowie über 100 Ehrenamtlichen unverzichtbar und preisgekrönt“, so Geschäftsführer Oliver Schubert.
Gerade erst am letzten Sonntag erhielt der Benefizlauf der Aidshilfe Köln „Run of Colours“ den Ehrenamtspreis der Stadt Köln „Köln engagiert21“. Das Frauen- und Familienzentrum, das bundesweit in seiner Art beispielhaft ist, bekam 2018 den Ehrenamtspreis „merk|würdig“ und die Youthwork wurde 2020 mit dem zweiten Platz beim VEZ Ehrenamtspreis NRW ausgezeichnet.
Zukunft in Gefahr
Diese bedeutsame Arbeit der letzten Jahre steht nun vor dem Aus. Hintergrund sind die fehlenden Finanzierungsmittel für den bevorstehenden Umzug im Oktober in ein neues barrierefreies Haus direkt an der Haltestelle Heumarkt. Dank der Unterstützung der Stiftung Wohlfahrtspflege, der Kämpgen Stiftung und der GAG Immobilien AG sowie zahlreicher Spendeneingänge konnte das größte Bau- und Umzugsvorhaben der Vereinsgeschichte vor fünf Jahren in Angriff genommen werden. Doch trotz zahlreicher Spenden, die in den letzten Monaten die Aidshilfe erreicht haben, fehlen für das Bau- und Umzugsprojekt nun leider auf der Zielgeraden noch rund 500.000 Euro.
„Wir befinden uns in einer Notlage“, sagt Geschäftsführer Oliver Schubert mit Blick auf die aktuelle finanzielle Situation – und appelliert an Politik und Stadtgesellschaft mit der Bitte um weitere Unterstützung.
„Wir führen gerade Gespräche über ein Darlehen mit unserer Hausbank. Wenn wir bis Ende September unsere Liquidität nicht sichern, dann wissen wir nicht, wie wir die Arbeit der Aidshilfe fortsetzen können“, so Schubert weiter. Allein die Umstrukturierung der Angebote während der Pandemie und Ausfälle durch weggebrochene Einnahmen haben die Aidshilfe rund 100.000 Euro gekostet.
Rund 500.000 Euro Eigenmittel sind bereits in das neue umgebaute Haus geflossen, das zu einem günstigen Preis von der GAG für die nächsten 20 Jahre gemietet wird. Insgesamt 850.000 Euro wurden von der NRW-Stiftung für Wohlfahrtspflege für Barrierefreiheit und Ausstattung bereitgestellt. Auch die GAG investierte einen größeren sechsstelligen Betrag.
„Neben Geld fehlt aber auch die Zeit, dieses Defizit nach und nach auszugleichen und die Arbeit des Vereins so neu zu strukturieren, dass die Darlehens-Rückzahlungen erfolgen können. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass wir diese Krise bewältigen, wenn wir nun, nachdem wir über 35 Jahre bedeutsame Arbeit für die sexuelle Gesundheit geleistet haben, einmal selbst um Hilfe bitten“, so Schubert.
Hoffen auf Spenden und Hilfe aus der Politik
Deswegen befindet sich die Aidshilfe mit Politik und Stadt bereits im Gespräch. „Wir haben in der Vergangenheit schon viel geschafft und große Unterstützung erhalten. Allein im Jahr 2020 konnten wir rund 250.000 Euro an Spendengeldern einwerben, die aber in die laufende Arbeit zur Refinanzierung nicht öffentlich geförderter Stellenanteile fließen müssen“, so Schubert. Auch im ersten Halbjahr hat die Aidshilfe dank einer Spendenkampagne schon mehr Spenden eingenommen als im Vergleichszeitraum der Vorjahre. Doch es reicht eben noch nicht. Deswegen wird im September nun eine weitere Spendenkampagne gestartet. 90 Personen aus der Szene, dem Sport, dem Rundfunk, der Politik, der Musik und dem Karneval beteiligen sich an der Kampagne. Neben den Anstrengungen des Vereins helfen Spenden, die Aidshilfe durch diese schwere Situation zu bringen und die wichtige Arbeit des Vereins aufrechtzuerhalten. Mehr Informationen und Spendenmöglichkeit unter: www.aidshilfe-koeln.de/pp oder www.aidshilfe-koeln.de/umzug
Pressekontakt
Erik Sauer
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