„Vor meinen Kunden hielt ich die Infektion geheim, auch aus Angst vor den Reaktionen, damals dachten viele Menschen, sobald ein Mensch mit HIV einen anderen Menschen anfasst, ist der auch infiziert. Deswegen habe ich im Beruf jahrelang verdrängt, dass ich positiv bin.“
Bill, 70 Jahre, aus San Francisco
Leitete eigenes Architekturbüro in den USA, seit über 30 Jahren HIV-positiv
Interview
Als Amerikaner kannst du die Situation beschreiben, wie es war, damals die Diagnose in den USA zu bekommen?
Bill: Als ich meine Diagnose bekommen habe, war es noch ganz früh. Man wusste so gut wie gar nichts über die Krankheit. Sie hatte noch keinen Namen, die Leute nannten es nur die Schwulen-Todesstrafe. Damals gab es nur ein Medikament, das auch nicht sehr effektiv war. Heute ist das anders. Wenn man heute diagnostiziert wird, ist es einfacher. Es ist eher wie Diabetes, eine chronische Krankheit, du bist behandelbar. In Amerika damals warst du Todeskandidat.
Wie ist das Umfeld damals mit die umgegangen, als du die Diagnose erhalten hattest?
Bill: Es war problematisch zu der Zeit. Ich saß gerade an meiner Doktorarbeit und ich dachte, mmh, was mache ich als Lehrer in Amerika, wenn ich bald sterbe? Also habe ich den Doktortitel sausen lassen und habe mein eigenes Architekturdesignbüro eröffnet. Meinen Kunden habe ich aber nie etwas gesagt, weil ich nicht wollte, dass sie mich abschieben wegen meiner Krankheit. Viele hatten ja die Angst, dass sie sich anstecken, wenn man einem HIV-positiven Menschen nur die Hand gibt oder berührt, aber das ist ja nicht der Fall. Aber das meinen Kunden zu erklären, war unmöglich, weil die Leute damals wenig über HIV wussten. Deswegen habe ich geschwiegen.
Du hast es vor allem im Berufsleben verdrängt, dass du HIV-positiv bist. Auch aus Angst vor der Reaktion der anderen Menschen?
Bill: Genau das, weil die meisten Leute heterosexuell waren und keine Ahnung hatten. Selbst die schwulen Leute hatten keine Ahnung. Aber sie hatten mehr Erfahrung mit der Krankheit durch den Freundeskreis, wo Menschen infiziert waren und gestorben sind. Und dadurch hatten sie auch mehr Kontakt zu Ärzten und wussten, wie die Übertragungswege laufen. Und deshalb fiel es einem leichter, mit Freunden zu sprechen, die auch schwul waren. Aber meine Kunden waren alle heterosexuell und dort habe ich es verdrängt.