Michael Schuhmacher übergibt an Oliver Schubert

(Köln, den 15. November) Die Aidshilfe Köln ohne Michael Schuhmacher: An diesen Zustand wird man sich nun gewöhnen müssen. In zwei Wochen ist es soweit. Nach über 30 Jahren in Organisationen der Aidshilfe, allein 26 Jahre davon als Geschäftsführer der Aidshilfe Köln, verabschiedet sich Michael Schuhmacher nun in den Ruhestand. Am 30. November endet seine Tätigkeit für den Verein, bereits seit Oktober wurde sein Nachfolger Oliver Schubert eingearbeitet und wird nun die alleinige Verantwortung übernehmen. Wir haben mit beiden über die Staffelübergabe gesprochen.

Redaktion: Herr Schuhmacher, beschreiben Sie doch mal Oliver Schubert. Was zeichnet ihn aus?

Schuhmacher: Oliver Schubert verfügt über eine sehr lange berufliche Erfahrung in der Aidshilfe. Er hat bereits in praktisch allen Themenfeldern sowohl an der Basis als auch strategisch im Landesverband gearbeitet. Hier liegen sicher wichtige Gründe, warum der Vorstand ihn als neuen Geschäftsführer berufen hat. Oliver ist zudem in Köln gut vernetzt und hat große Lust, neue Methoden und Projekte der Prävention – gerade auch unter den Rahmenbedingungen einer fortschreitenden Digitalisierung – mit den Kolleg:innen gemeinsam zu entwickeln und umzusetzen.

Redaktion:  Herr Schubert, wann und wie haben Sie die Aidshilfe Köln zum ersten Mal wahrgenommen?

Schubert: Das liegt mittlerweile um die 17 Jahre zurück. Ich war Besucher der damals beliebten Bodycheck-Party. Dort war auch das Präventionsteam CHECK UP mit seinen Mr. Pops-Aktionen vertreten. Das war damals schon in der Art der Ansprache sowie im „Look & Feel“ sehr professionell und modern. Sicherlich eines der Vorläufer-Projekte von dem, was wir wenig später „Präventainment“ nannten. Die Verknüpfung von Prävention und Entertainment war mir nicht zuletzt durch die Impulse aus Köln immer ein Vorbild und Inspiration für meine damalige Arbeit in der Aids-Hilfe Bonn.

Redaktion:  Was hat Sie an dem Posten des Geschäftsführers der Aidshilfe Köln gereizt?

Schubert: Ich habe in der Aidshilfe-Arbeit viele Erfahrungen gesammelt. Sowohl an der Basis, wie zum Beispiel in der aufsuchenden Arbeit, der Selbsthilfe und in den Bereichen Beratung sowie Betreuung und Testangebote. Während meiner Tätigkeit in der Aidshilfe NRW kamen unter anderem die strategische und politische Lobbyarbeit sowie die Vernetzung hinzu. Das sind Erfahrungen, die ich nun als Geschäftsführer der Aidshilfe Köln einsetzen möchte, um den Verein und seine Angebote für die zukünftigen Herausforderungen zu stärken und auszubauen. Ich blicke mit Respekt und großer Anerkennung auf das, was Michael als Geschäftsführer in den letzten 26 Jahren so engagiert und bewegt aufgebaut, verändert und begleitet hat. Diese Leistung ist gleichzeitig auch Motivation für mich. Ich kann Menschen für die Bedeutung und Notwendigkeit unserer Arbeit überzeugen und möchte das gemeinsam mit professionellen und engagierten Mitarbeiter:innen umsetzen. Seit über 20 Jahren lebe ich nun in Köln und liebe diese Stadt. Es ist also nicht nur reizvoll, diesen Job mit Leben zu füllen, sondern es erfüllt mich tatsächlich mit Stolz, einen der größten Träger der städtischen Präventions- und Gesundheitsangebote weiterzuentwickeln und zu führen.

Redaktion: Wieso ist das Thema HIV/Aids, Leben mit HIV und Prävention auch nach über 30 Jahren noch so wichtig?

Schubert: Neben partizipativer Selbsthilfe, Prävention und Beratung von Menschen mit und ohne HIV steht die Aidshilfe Köln mit ihren Angeboten immer auch für Antidiskriminierungsarbeit, Strategien zur Entstigmatisierung und eine aktive Minderheitenpolitik. Aidshilfearbeit ist systemrelevant, das wurde nicht zuletzt auch durch das Land NRW zu Beginn der Corona-Pandemie festgehalten. Und auch wenn wir es mit einer Veränderung der Wahrnehmung von HIV und Aids in den Zielgruppen und in der Gesellschaft zu tun haben, sind viele unserer Inhalte und Anliegen eben noch nicht zu Ende bearbeitet. Wir müssen lustbetont und offen über Sexualität und Identitäten reden, Substanzkonsum thematisieren sowie entstigmatisieren und weiter an den Bildern vom Leben mit HIV arbeiten. Frauen und HIV brauchen besondere Unterstützungsangebote, Geflüchtete und Menschen ohne Papiere müssen eine wertschätzende und ausreichende Gesundheitsversorgung erfahren. Und da sind wir noch nicht mal bei den Tabuthemen, wie zum Beispiel Sexualität und Konsum in Haft, psychische Gesundheit im Kontext von schwuler Sexualität sowie nach wie vor auch Sexarbeit angelangt.

Redaktion: Im Sommer 2021 wird die Aidshilfe Köln an den neuen Standort ziehen. Durch Corona hat es leider nicht geklappt, dass Sie den Umzug noch aktiv miterleben werden. Aber worauf können sich die Klient:innen und Kolleg:innen freuen?

Schuhmacher: Die neuen Räume in der Pipinstraße 7 sind eines vor allem: Barrierefrei für Menschen mit körperlichen Einschränkungen, sie verfügen über modernen Schallschutz und werden beispielsweise auch die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen des Sehens berücksichtigen. Der Standort liegt an der Haltestelle Heumarkt und ist damit aus allen Teilen der Stadt gut zu erreichen. Im Erdgeschoss wird das Regenbogencafé als niedrigschwellige Anlaufstelle wiedererstehen und damit auch der lang vermisste Mittagstisch. Die Kolleg:innen erhalten endlich Arbeitsplätze, die den Anforderungen des Arbeitsschutzes entsprechen, werden aber auch eine Dusche nutzen können, um den Arbeitsweg so oft als möglich mit dem Rad zurücklegen zu können. Die Arbeit soll, wo möglich, papierlos werden. Wir passen unsere EDV schon seit einiger Zeit auf diese Anforderungen an.

Redaktion: Letztes Jahr sagten Sie, Sie wünschen sich Zeit und Muße, um sich von den Kolleg:innen, Wegbegleiter:innen und Kooperationspartner:innen ordentlich verabschieden zu können. Ist das trotz Corona gelungen?

Schuhmacher: Corona beeinflusst Formen des Abschieds, aber nicht, worum es mir beim Abschiednehmen geht. Für mich endet nach 26 Jahren als Geschäftsführer ein langer Lebensabschnitt. Nur mit der Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen und einer großen Zahl von Kooperationspartner:innen konnten ich und wir alle gemeinsam diese Arbeit leisten. Mit vielen Kolleg:innen werde ich auch zukünftig freundschaftlich verbunden sein. Mit einer ganzen Reihe von Kooperationspartner:innen ist über die Jahre eine sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Menschen entstanden. Auch hier wird hoffentlich die persönliche Verbindung erhalten bleiben. Nach dem 1. Dezember werde ich die Räume der Aidshilfe Köln nicht mehr betreten, um dem Haus Zeit zu lassen, mit meinem Nachfolger die für alle passende Form der Zusammenarbeit zu finden. Meine persönlichen Verbindungen sind nicht an das Haus gekoppelt.

Redaktion: Was werden Sie am meisten vermissen an der täglichen Arbeit im Büro?

Schuhmacher: Ich habe in den letzten Monaten oft gesagt, ich werde die Arbeit nicht vermissen. Wohl aber werden mir Kolleginnen und Kollegen sowie die tolle Zusammenarbeit, teils über Jahrzehnte hinweg, fehlen. Ich war ja mehr Stunden im Büro als zu Hause auf den Beinen. Viele Rituale, Vertrautes im Tagesablauf und manch persönliches Wort unter Kolleg:innen werde ich sicher vermissen.

Redaktion:  Auf was freuen Sie sich in der Zusammenarbeit mit den neuen Kolleg:innen?

Schubert: Einige Kolleg:innen kenne ich natürlich schon aus der Zusammenarbeit in unterschiedlichen Projekten der vergangenen Jahre. Die Weiterentwicklung und Außendarstellung der Angebotspalette der Aidshilfe Köln hat mich in der Vergangenheit schon sehr beeindruckt. Hier freue ich mich auf den Schwung und die Motivation, die dieses Team immer wieder an den Tag legen kann. Außerdem lerne ich tatsächlich gerne neue Menschen kennen und bin gespannt auf ihre Motivation und die Ideen, die sie in die Arbeit einbringen. Aidshilfearbeit bedeutet für mich immer wieder auch Kreativität und Leidenschaft für unsere Themen, die wir gesellschaftlich und politisch bewegen wollen. Dies zusammen, bei allen Anforderungen an die Qualität der Arbeit, mit Spaß und Lebensfreude zu gestalten, ist mir in der Zusammenarbeit besonders wichtig.

Redaktion:  Wo wollen Sie die Schwerpunkte in den nächsten Jahren setzen?

Schubert: Einiges dazu beantwortet sich schon ein wenig aus meinen Ausführungen der dritten Frage. Unsere Angebote müssen sich ja auch immer wieder den neuen Generationen unserer Zielgruppen anpassen und die aktuellen Entwicklungen aus der Präventionsforschung berücksichtigen. Ich möchte in den nächsten Jahren dafür kämpfen, dass sich die Förderung unserer Arbeit aus den unterschiedlichen Töpfen auch den steigenden Lohn- und Betriebskosten sowie den Anforderungen einer professionellen Angebotsstruktur anpasst. Prävention und Gesundheit, Soziale Arbeit sowie bürgerschaftliches Engagement kosten Geld. Nicht zu vergessen bleibt der Schwerpunkt für die nächsten Monate, viele engagierte Mitarbeiter:innen, die Abläufe im Haus und die Vernetzungsstrukturen mit den städtischen Kooperationspartner:innen und Unterstützer:innen kennenzulernen.

Redaktion:  Herr Schuhmacher, was wartet jetzt auf Sie?

Schuhmacher: Ich freue mich, mehr Zeit für meinen Mann Arnd zu haben. Ich werde wieder mehr kochen sowie einkaufen gehen können und vor allem wieder Muße zum Lesen haben. Dann habe ich Haus und Garten im Hunsrück, die in den letzten Jahren oft wegen meiner beruflichen Verpflichtungen zu kurz kamen sowie eine gemeinsame Wohnung mit Arnd in Köln. Die Liste der teils seit Jahren immer wieder verschobenen Treffen mit Freundinnen und Freunden ist lang. Wahrscheinlich habe ich die Chance, ein paar Stunden die Woche in einer Gärtnerei zu helfen … ich freue mich sehr auf dieses neue Leben.

Redaktion: Und zum Abschluss, haben Sie noch einen Tipp an Ihren Nachfolger? Vor allem da es im letzten Dienstjahr wegen der Corona-Pandemie noch mal ganz heiß herging.

Schuhmacher: Meine ehemalige Kollegin, Heidi Eichenbrenner, hat immer gesagt: Ratschläge sind immer auch Schläge. Mit Tipps verhält es sich ähnlich. Mit Oliver Schubert habe ich seit der Vorstandsentscheidung, ihn als Nachfolger zu berufen, viele Termine gehabt, um ihm die Geschäftsführungsaufgaben möglichst umfassend zu übergeben. Oliver und ich unterscheiden uns nicht in unserer Haltung, was das Herangehen an die HIV-, STI-Prävention und Gesundheitsfragen angeht. Inhaltlich war die Übergabe aufgrund seiner beruflichen Erfahrung leicht. Oliver wird seinen eigenen Geschäftsführungsstil haben, dazu braucht er meinen Rat gewiss nicht.

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Erik Sauer
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