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im Frühjahr 1981 sind die Mediziner:innen der US-Seuchenüberwachungsbehörde „Center for Disease Control“ alarmiert: Fünf bislang gesunde schwule Männer im Raum Los Angeles haben sich mit der seltenen Lungenerkrankung Pneumocystis-Pneumonie angesteckt, die normalerweise nur Menschen mit einem schwachen Immunsystem befällt. Fast zeitgleich tritt in New York City das Kaposi-Sarkom, eine Krebserkrankung, ungewöhnlich häufig bei schwulen Männern auf. Die Vermutung liegt nahe, dass man eine neue Krankheit entdeckt hat. Sie hat zwar noch keinen Namen, aber viele Symptome: langwierige Pilzinfektionen, schwerwiegende Krebserkrankungen, Infektionen mit fast vergessenen Erregern, körperliche Auszehrung und letztendlich der Tod. Es soll noch zwei weitere Jahre dauern, bis ein Virus als Ursache der tödlich verlaufenden Erkrankung identifiziert werden kann, die sich rasant über den ganzen Globus ausbreitet. Aids – wie das Endstadium der Erkrankung fortan von der Wissenschaft genannt wird – hat bis heute weltweit mehr als 33 Millionen Menschenleben gefordert.

An diese Geschehnisse vor 40 Jahren, an die wechselhafte Geschichte von Erfolgen und Rückschlägen im Kampf gegen HIV und Aids, an wissenschaftliche aber auch gesellschaftliche Irrungen und Wirrungen will auch der Titel des Deutsch-Österreichischen Aids-Kongresses erinnern, der vom 25. bis 27. März zum zehnten Mal stattfand. „40 Jahre HIV/Aids Pandemien gestern und heute“ lautete das Motto des Kongresses, der coronabedingt nur virtuell stattfinden konnte. Für die rund 1.000 Teilnehmenden aus Medizin, Wissenschaft und Community standen neben Information und Wissensvermittlung auch umfangreiche Möglichkeiten zum fachlichen Austausch zwischen den Disziplinen auf dem Programm.

Den Ähnlichkeiten aber auch den Unterschieden der beiden Pandemien und dem aktuellen Forschungsstand zu den Virusinfektionen wurde bei der Gestaltung der Vorträge, Sessions und Diskussionsrunden viel Raum gegeben. Ebenso wie der wichtigen Frage: „Wie können wir unsere wertvollen Erfahrungen aus dem Umgang mit der HIV-Pandemie gewinnbringend bei der Bekämpfung des Corona-Virus einbringen?“

Dabei sollte man das Kongressmotto aber keinesfalls so missverstehen, als seien HIV und Aids „Schnee von gestern“ und sämtliche Probleme bereits gelöst. Unbestritten ist: Den großartigen Errungenschaften von Wissenschaft und Medizin ist es zu verdanken, dass die HIV-Infektion dank moderner Therapien heute zu einer chronischen Erkrankung geworden ist. Das Stadium Aids gilt mittlerweile, bei rechtzeitigem Nachweis der Infektion durch einen HIV-Test, sogar als medizinischer Behandlungsfehler. Die modernen Therapien halten das Virus so gut in Schach, dass selbst beim Sex ohne Kondom das Virus nicht mehr übertragen werden kann. Das sind großartige Erfolge! Sie geben uns Zeit und Energie und eröffnen die Möglichkeit, uns noch intensiver um den Menschen „hinter der Infektion“ zu kümmern: Um Menschen, die mit HIV leben. Aber auch um diejenigen, die ein hohes Risiko tragen, sich anzustecken.

Schon seit ihrer Gründung im Jahr 1985 macht sich die Aidshilfe Köln stark für Aufklärung, Prävention und Infektionsvermeidung bei den Hauptbetroffenengruppen. Hierzu zählen in Deutschland mit zahlenmäßig großem Abstand vor allen anderen die schwulen Männer. Daran hat sich auch seit 40 Jahren HIV-Pandemie nichts grundlegend verändert. Auf die Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), entfallen aktuell mehr als drei von vier der jährlichen HIV-Neudiagnosen. Bei der Aufklärung richtet die Aidshilfe Köln ihren Blick auch aufs große Ganze. „Sich selbst als schützenswert zu erleben, ist eine zentrale Grundvoraussetzung, sich überhaupt schützen zu können und zu wollen.“ lautet daher einer der Kernsätze der Präventionsarbeit der Aidshilfe Köln und dem angeschlossenen Checkpoint. Der Abbau von Diskriminierung und Stigmatisierung rückt dabei genauso ins Blickfeld wie das körperliche Wohl und das seelische Befinden der schwulen Zielgruppe.

„Alarmiert“ reagierten vor 40 Jahren die Wissenschaftler:innen auf das unerklärlich häufige Auftreten von Krebserkrankungen und Lungenentzündungen bei schwulen Männern. Ein ähnliches Gefühl, welches sich am ehesten vermutlich als Erschrecken bezeichnen lässt, stellte sich bei mir ein, als im Rahmen einer Session auf dem Aids-Kongress die neuesten Ergebnisse der EMIS-Studie vorgestellt wurden. Im Rahmen der Studie wurden zwischen 2017 und 2018 ca. 125.000 Schwule, Bisexuelle und andere Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), aus 39 europäischen Ländern befragt und ihre Antworten nach Ländern getrennt ausgewertet. Obwohl der Schwerpunkt der Befragung auf HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten liegt, wurden auch Fragen zum Gesundheitsverhalten und zur psychischen Gesundheit gestellt. Und um diese ist es der Studie zufolge bei schwulen Männern in Deutschland nicht grad gut bestellt. Bei 40 % der befragten MSM war das „seelische Wohlbefinden“ durch Ängste und Sorgen, Niedergeschlagenheit oder einem generellen Gefühl der Hoffnungslosigkeit beeinträchtigt. Bei 13 % der Männer war hierdurch die Lebensqualität sogar deutlich bis schwer eingeschränkt. Bei mindestens ebenso vielen gab es starke Hinweise auf eine Depression. Vergleicht man schwule mit heterosexuellen Männern, treten bei ihnen demnach Depressionen um rund 50 % häufiger auf. Betrachtet man ausschließlich die jungen MSM (18 bis 29 Jahre) sind es im Vergleich mit ihren heterosexuellen Altersgenossen je nach Bildungsgrad sogar mehr als doppelt so viele, die unter Depressionen leiden.

Mehr als 15 % der befragten MSM plagten in den letzten zwei Wochen Suizidgedanken oder das Gefühl, sich selbst Leid zufügen zu wollen. Bei den unter 20-Jährigen gab sogar mehr als jeder Dritte für die letzten 14 Tage an, Gedanken an Selbstschädigung oder Suizid gehabt zu haben.

Ein hoher Anteil der befragten MSM berichtete von einem als „problematisch“ zu bezeichnenden Gebrauch von bewusstseinsverändernden Substanzen, allem voran Alkohol. Beim „problematischen Alkoholkonsum“ bestehen Anzeichen für Alkoholabhängigkeit nach der CAGE-Definition für 16 % der EMIS-Teilnehmer. In Großstädten und Metropolen steigen diese Werte auf bis zu 24 %. Demnach hat fast jeder vierte MSM in Städten mit einer Einwohnendenzahl über 100.000 ein riskantes Trinkverhalten oder ist bereits alkoholabhängig. Beim Alkoholkonsum ist Köln trauriger Spitzenreiter der Statistik. MSM aus Köln gaben häufiger Trinkgewohnheiten an, die auf eine (beginnende) Alkoholabhängigkeit hinweisen, als beispielsweise Studien-Teilnehmer aus Berlin, Hamburg oder München.

Die Vermutung, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Alkohol-/und Drogenkonsum und psychischer Gesundheit bei MSM gibt, drängt sich da förmlich auf, auch wenn dieses nicht explizit Gegenstand der Studie war.

Die Befragungen der EMIS-Studie waren bereits abgeschlossen, als sich das Corona-Virus 2019 weltweit ausbreitete. Die pandemische Ausbreitung der Corona-Infektionen, die damit einhergehenden Sorgen und Ängste aber auch die Maßnahmen zur Eindämmung wie etwa Lockdowns und Social Distancing dürften die seelische Gesundheit und den Alkoholkonsum schwuler und anderer MSM sicherlich nicht zum Positiven beeinflussen. Die „neue“ Pandemie wird die Probleme der „alten“ wohl eher noch verschärfen. Beide zusammen werden uns daher wohl noch länger beschäftigen, als uns lieb ist. Packen wir´s an. Krempeln wir die Ärmel hoch. Es gibt einiges zu tun!

Beste Grüße
Rainer Rybak, Checkpoint der Aidshilfe Köln

ALLGEMEIN

Brosche für Peter Plate & Marcella Rockefeller

Sie ist weit über die Grenzen der Kölner Community bekannt, setzt sich für mehr Vielfalt ein und startet gemeinsam mit Peter Plate gerade richtig durch: Passend zum Release ihres Debütalbums „Anders als geplant“ zeichnen die Aidshilfe Köln und der Checkpoint Marcella Rockefeller und Peter Plate mit dem funkelnden Dankeschön aus.

„Marcella engagiert sich schon viele Jahre für mehr Vielfalt in der Szene und in der Gesellschaft. Dazu hat sie gemeinsam mit Peter Plate das Thema HIV in den Fokus gerückt. So nutzte sie ihre Reichweite, um darauf hinzuweisen, wie wichtig die Arbeit von Aidshilfen ist und dass diese besonders in der Pandemie auf Spenden angewiesen sind. Künstler:innen, die trotz der Auswirkungen von Corona auf ihr eigenes Schaffen nicht vergessen, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, müssen einfach ausgezeichnet werden. Wir sagen Danke, liebe Marcella und lieber Peter“, so Oliver Schubert, Geschäftsführer der Aidshilfe Köln.

„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, weil ich gerade so gerührt bin“, war Marcellas erste Reaktion, nachdem sie die Nachricht bekommen hatte, dass sie die Brosche der Aidshilfe Köln und des Checkpoints erhalten wird. Da Marcella und Peter noch gemeinsam im Tonstudio in Berlin die letzten Songs aufnehmen mussten, konnten die Broschen nicht persönlich übergeben werden. Was bei den beiden aber keineswegs die Freude schmälerte. Strahlend steckten sich Marcella und Peter ihre Brosche an.

„Ich bin total gerührt und möchte mich ganz herzlich bei euch, der Aidshilfe Köln, bedanken – nicht nur für diese schöne Auszeichnung, sondern besonders auch für die tolle und wichtige Arbeit, die ihr tagtäglich leistet“, so Peter Plate.

Mitgliederversammlung online

Am 10. Mai findet unsere nächste Mitgliederversammlung (online) statt. Wie viele von euch mitbekommen haben, steht der Verein, nicht zuletzt wegen der Corona-Krise und unserem Bau- und Umzugsprojekt, vor großen Herausforderungen. Unser Vorstand freut sich deshalb über Menschen, die sich für diese ehrenamtliche Tätigkeit interessieren und mitgestalten möchten. Unsere Mitgliedschaft hat die Wahlordnung, die eine Briefwahl vorsieht, bereits mit großer Mehrheit verabschiedet.

Austausch mit Prof. Dr. Karl Lauterbach und Dr. Tobias Jacquemain über die Auswirkungen von Corona auf das Leben mit HIV und auf die Aidshilfe-Arbeit

Mitte März sprachen wir außerdem über unsere Zukunftspläne in den neuen Räumlichkeiten in der Pipinstraße. Es war ein spannender Austausch, der verdeutlichte, wie Corona sich auf die Lebenssituation vieler unserer Klient:innen und die herausfordernde Aufrechterhaltung unserer Angebote auswirkt. Prof. Dr. Karl Lauterbach bedankte sich im Gespräch bei allen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter:innen ausdrücklich für ihr Engagement und ihr Durchhaltevermögen!

Gamechanger oder Rohrkrepierer? – Was bringen die neuen Corona-Schnelltests für daheim?

Können die neuen Corona-Schnelltests deine (Sex-)Dates sicherer machen? Was die Heimtests vom Discounter leisten können und was nicht. Alle Infos findest du hier www.ahkoeln.de/sexhacks

Studie zu Sexarbeiter:innen während der Corona-Pandemie

An der Katholischen Hochschule NRW findet im Rahmen eines Studienprojektes (drei Student*innen) eine Studie zu Sexarbeiter*innen während der Corona-Pandemie statt.

Das Projekt wird begleitet durch Prof. Dr. Daniel Deimel, Dipl. Sozialarbeiter, M. Sc., Supervisor (DGSv) | Coach (DGSv) und Suchttherapeut (VDR), mit dem die Aidshilfe NRW schon häufiger zusammengearbeitet hat. Daher rührt auch die offizielle Unterstützung der Aidshilfe NRW. Wir wollen die Studie ebenfalls unterstützen und auf sie hinweisen. In dieser Studie geht es um die gesundheitliche, psychische und soziale Situation von Sexarbeiter*innen, insbesondere während der Corona-Pandemie. Die Befragung richtet sich an Menschen jeglicher sexueller Orientierung und jeglichen Geschlechts. Das Projekt wird auch durch den Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen, Ira e.V. Aachen sowie der Gesellschaft für Sexarbeit- und Prostitutionsforschung unterstützt. Hier geht es zur Studie.

POSITIV ALTERN: Positive Vorbilder – ein Film über HIV und das Älterwerden

Vier positive Protagonist*innen, Hildegard, Christian, Klaus und Karl, geben Einblicke in ihren Umgang  mit HIV und mit dem Älterwerden. Sie alle führen ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben. Dr. Christoph Mayr und Prof. Dr. Jürgen Rockstroh kommentieren die medizinischen Hintergründe. Ein sehenswerter Film, der viele Perspektiven des Lebens mit HIV beleuchtet. Zu sehen unter:

https://www.youtube.com/watch?v=aeSx8PCUIik

Der Film ist in Kooperation mit der Deutschen Aidshilfe, BISS (Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren), der DAIG (Deutsche AIDS-Gesellschaft) und einigen Pharmaunternehmen entstanden.

Queere Belange im Sport – die Dokumentation der BuNT 2020 ist online

Im Rahmen der dritten BundesNetzwerkTagung der queeren Sportvereine (BuNT) im letzten November haben sich erneut viele Menschen über queere Belange im Sport informiert und ausgetauscht. Die digitale Veranstaltungswoche bot den Interessierten aus ganz Deutschland außerdem die Möglichkeit, gemeinsam über notwendige Veränderungen zu diskutieren, die eine gleichberechtigte und diskriminierungsarme Teilhabe von LSBTIQ* (lesbische, schwule, bisexuelle, trans*- und inter*geschlechtliche sowie queere Menschen) im Sport ermöglichen. Das BuNT-Organisationsteam hat die Dokumentation nun veröffentlicht, in der man alle Inhalte und Ergebnisse der Veranstaltung noch einmal anschauen kann.

Hier der Link zur PDF: Dokumentation_BuNT2020

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