Seit gut sechs Monaten ist Michaela Diers als neue Leiterin der beiden Beratungsteams Beratung/Information und des Frauen- und Familienzentrums zurück bei der Aidshilfe. Vor vier Jahren hatte sie die Aidshilfe verlassen, um nochmal in einem ganz anderen Themenbereich zu arbeiten. Was hat sich in der Zwischenzeit alles verändert, wie sehen ihre Pläne aus und was sind die Themen, die aktuell sind? Wir haben mit Michaela gesprochen.

Redaktion: Michaela, bis 2014 warst du bei der Aidshilfe, hast dann den Job gewechselt und bist jetzt seit Juli wieder zurück. Was hat sich seitdem im Haus verändert?

Michaela Diers: „Einiges. Menschen, die vor vier Jahren noch dabei waren, arbeiten nicht mehr hier. Das heißt für die Beratungsteams, dass die Kolleg_innen viele Aufgaben übernommen haben, in die sie sich einarbeiten mussten. Dass das so gut gelungen ist, spricht für die hohe fachliche Kompetenz. Auch in der Struktur des Hauses hat sich in den letzten vier Jahren viel verändert. Der Checkpoint ist jetzt hier in der Beethovenstraße angesiedelt. Der Themenbereich „Suchtmittelkonsum“ ist deutlich größer geworden: Neben der psychosozialen Begleitung von Substituierten, die es ja schon viele Jahre gibt, ist die Gruppe für MSM zum Thema „Chemsex“ und die ambulante Nachsorgegruppe hinzugekommen. Auch die Themen „PreP und Selbsttest“ sind Entwicklungen, die vor vier Jahren noch nicht auf der Agenda standen.

Redaktion: Was sind deine genauen Aufgaben?

Michaela Diers: Ich leite die beiden Beratungsteams, also das Team Beratung und Information und das Frauen- und Familienzentrum. Das heißt, dass ich die Kolleg_innen unterstütze, indem ich Themen moderiere und mit allen Kolleg_innen immer wieder in den Austausch gehe, was in der Arbeit optimiert werden kann und was nötig ist, um die Aufgaben gut zu bewältigen. Ich sehe meine Aufgabe auch darin, Konzepte und Diskussionen in die Teams einzubringen und die Ergebnisse dann in die Leitungsrunde und den Vorstand zu transportieren.

Redaktion: Welches sind die Herausforderungen in der Beratung?

Michaela Diers: Ich denke, dass es eine Vielzahl von Herausforderungen gibt, die in der Beratung beachtet und bewältigt werden müssen. Da sind zunächst einmal zahlreiche Themen, die besonders in der offenen Sprechstunde von den Ratsuchenden abgefragt werden. Die Berater_innen müssen nicht nur eine Reihe von Sachfragen spontan beantworten, sondern auch Krisen bearbeiten. Das ist immer wieder eine große Herausforderung. Aber auch in der Begleitung im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens ist der oft langjährige Kontakt mit den Menschen nicht immer einfach. Nicht in allen Fällen kann die Lebenssituation verbessert werden und die eigene Hilflosigkeit auszuhalten ist schwer. Da ist ein funktionierendes Team sehr wichtig.

Redaktion: Wie waren sie früher, inwieweit haben sich die Bedürfnisse der Klient_innen geändert und wie reagiert ihr darauf?

 Michaela Diers: Da muss ich etwas weiter ausholen. In den vier Jahren ist die Veränderung nicht so gravierend gewesen. Früher waren die Bedürfnisse der Besucher_innen der Aidshilfe oft im medizinischen Bereich angesiedelt. Medikation, Nebenwirkungen, Therapieversagen und häusliche Versorgung waren existenzielle Fragen, die in der Beratung besprochen wurden. Seit ein paar Jahren ist mit der verbesserten Medikation das Thema „Medizin und Gesundheit“ natürlich auch noch präsent, aber der Umgang mit alltäglichen Problemen in der Gestaltung des selbständigen Lebens in der eigenen Wohnung deutlich mehr im Vordergrund. Die Hilfe und Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags wird bei uns im Rahmen des ambulant betreuten Wohnens angeboten. Das ist eine Unterstützungsform, in der Klient_in und BeWo-Betreuer:in gemeinsam an vorher vereinbarten individuellen Zielen arbeiten. Das zweite Thema, das ich eben schon angesprochen habe, ist der Bereich Substanzkonsum. Früher waren Heroinkonsument_innen im Focus der Beratung. Heute kommen völlig andere Substanzgruppen und Konsummuster ins Spiel. Die Aidshilfe hat darauf mit spezifischen Beratungs- und Gruppenangeboten reagiert. Der dritte Bereich, der sich sehr verändert hat, ist der des Älterwerdens mit HIV. Vor 20 Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass das ein Thema werden könnte. Glücklicherweise ist dies aber so. Auch das verlangt neue Angebote. Insbesondere das Thema „Wohnen im Alter“ ist wichtig geworden. Die Pläne für das Dirk-Bach-Haus müssen schnell umgesetzt werden, denn der Bedarf ist sehr groß.

 Redaktion: Wenn man neu in ein Haus kommt, dann hat man Ideen oder Pläne. Wie sehen deine aus, was willst du verändern oder verbessern?

Michaela Diers: Ich finde erstmal, dass alle Kolleg_innen im Haus sehr kompetent arbeiten und nicht darauf gewartet haben, dass ich alles Mögliche verändere. Im Moment besteht natürlich ein hoher Veränderungsdruck von außen. Gesetzesänderungen, die sich auch auf die Kostenstruktur auswirken, eine Fülle von neuen Themen und ungewohnte Aufgaben verlangen so oder so an der einen oder anderen Stelle eine Veränderung. Das gehe ich selbstverständlich gemeinsam mit den Kolleg_innen aus den verschiedenen Arbeitsgruppen an. Ansonsten sind ja auch viele Ideen, wie man etwas anders oder besser machen kann, bereits vorhanden. Ich freue mich, dass die Berater_innen aus beiden Teams im Moment eine veränderte Form der Gruppenarbeit, nämlich die Freizeitaktionen „Op Jöck“ planen und organisieren. Da sind unglaublich viele kreative Ideen, was wir den Menschen, mit denen wir im BeWo zusammenarbeiten, an zusätzlichen Gruppen- und Freizeitangeboten machen können. Das wird jetzt gerade peu à peu umgesetzt.

Redaktion: Natürlich spielen die Kosten immer eine Rolle. Wenn du dir das perfekte Setting wünschen dürftest, wie sähe das in den jeweiligen Bereichen der Beratung aus?

Michaela Diers: Das perfekte Setting wird es niemals geben. Dafür verändern sich die Bedarfe zu schnell. Natürlich wäre es super, wenn wir im Dirk-Bach-Haus ein Angebot für schwule Männer mit HIV hätten. Wir freuen uns, wenn wir perspektivisch mehr Räume haben. Im Moment ist doch alles etwas beengt. Zusätzliche Kolleg_innen wären natürlich auch herzlich willkommen.

Redaktion: Du hast einen Therapiehund im Einsatz. Wie kann man sich das vorstellen, inwieweit bereichert er deine Arbeit?

Michaela Diers: Also, Paula ist eher ein Therapiehündchen und noch in Ausbildung. Im Moment ist sie ein fröhlicher und verspielter Junghund, der sich wahnsinnig freut, wenn jemand sie anspricht. Kurz: Am Feinschliff arbeiten wir noch in der Ausbildungsgruppe, aber allein durch ihr Dabeisein und ihre Freundlichkeit sorgt sie für gute Laune. Da ich relativ wenig direkt mit Klient_innen zu tun habe, ist sie da noch nicht im Einsatz. Allerdings wird sie zu Freizeitaktionen wie zum Beispiel beim Wandern mitkommen und bei einzelnen Klient_innen ist geplant, sie auch mitzunehmen, um die Menschen zum Beispiel zum Spaziergang zu motivieren oder Ängste vor dem Verlassen der Wohnung abzubauen. Da kann sie sicherlich helfen, indem sie das Gefühl von „der Hund beschützt mich“ vermittelt. Ich bin gespannt, wie es wird.

Danke für das Gespräch, Michaela.

Im Rahmen der Welt-Aids-Tag Aktionswoche 26.11 – 1.12.2018 führt die Aidshilfe Köln zahlreiche Aktionen durch, um auf die aktuelle Situation von Menschen mit HIV aufmerksam zu machen und um weiterhin bestehende Vorurteile abzubauen.

Pressekontakt

Erik Sauer
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