Frauen- und Familienzentrum erste Anlaufstelle für HIV-positive Frauen

Seit 2007 kommt Mary Clarence* in das Frauen- und Familienzentrum (FFZ) der Aidshilfe Köln. Seit 18 Jahren wohnt die gebürtige Kamerunerin in Deutschland. 2007 war sie mehrfach krank, so dass ihr Arzt ihr riet, vielleicht mal einen HIV-Test zu machen. Aus Angst wollte sie diesen aber nicht bei ihrem Hausarzt machen. Schließlich waren dort auch andere Familienmitglieder in Behandlung. Also machte sie den Test beim Gesundheitsamt und er war positiv. „Das Ergebnis war ein Schock für mich. Sofort hatte ich Bilder im Kopf, was wird mit mir, was wird aus meiner Tochter. Ich bin doch jetzt todgeweiht“, so Mary Clarence. Zu präsent waren die Bilder aus Kamerun, wie dort über Menschen mit HIV gesprochen wird und wie sie behandelt werden. Aber wie hatte sie sich infizieren können?

„Damals war ich in einer Beziehung. Als ich meinem Partner von der Diagnose erzählte, reagierte er nicht. Er sagte einfach nichts. Später habe ich Unterlagen in unserer Wohnung gefunden, dass er seit 2005 wusste, dass er positiv ist und mir nichts gesagt hatte“, so Mary Clarence. Ihr Ex-Freund war allerdings nicht der Vater ihrer Tochter, so bestand die Möglichkeit, dass sie negativ sei. Was sich nach einem Test dann auch bestätigte.

Zu ihrem Hausarzt ist die 35-Jährige nie mehr gegangen. Ihr neuer Arzt bot ihr die Hilfe der Aidshilfe Köln an. Doch das wollte Mary Clarence partout nicht. Ihre Angst war zu groß. Aber zu einem Gespräch mit Birgit Körbel vom Frauen- und Familienzentrum der Aidshilfe Köln war sie bereit. Birgit Körbel hat vor 20 Jahren das Konzept des FFZ mitentwickelt. Also ist Birgit zur Praxis und hat Mary Clarence erzählt, was das Frauen- und Familienzentrum so macht und ob sie nicht mal zum Mittagstisch kommen will. Mary Clarence ist dann öfter zum Mittagstisch gegangen, um die Scheu vor dem Haus zu verlieren. In kurzen Gesprächen beim Mittagsessen konnte Birgit die Angst mehr und mehr abbauen.

Das Frauen- und Familienzentrum ist nicht nur NRW- sondern bundesweit einmalig. Hier können sich Frauen mit und ohne Migrationsgeschichte, positiv und negativ, deren Angehörige und deren Wahlfamilien zu HIV und Aids, aber auch zu Themen wie Schwangerschaft und Verhütung informieren. Hier werden Kindheiten erlebt, Familiengeschichten, mittlerweile bis in die dritte Generation, gelebt und betreut.

Im Jahr 2017 wurden insgesamt 245 Frauen und Familien begleitet. Dabei kann es sein, dass einzelne Frauen nur einmal im Jahr kommen, andere das Angebot dagegen regelmäßig nutzen. Das Einzugsgebiet umfasst ganz NRW. Die Frauen schätzen Anonymität und nehmen dafür kilometerlange Fahrten aus beispielsweise Siegen oder Kleve auf sich. Die zwei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen Birgit Körbel und Doris Kamphausen werden von acht festen Ehrenamtler_innen unterstützt. Für Körbel war schon vor 20 Jahren klar, als das FFZ gestartet ist: „Wir dürfen diese Zielgruppe nicht außer Acht lassen.“ Auch heute ist das Leben mit HIV nicht immer leicht.

Mittlerweile ist Mary Clarence verheiratet. Ihrem Mann hatte sie direkt beim dritten Treffen von ihrer Infektion erzählt, für ihn war es kein Grund, den Kontakt zu beenden. Aber seine Familie und der überwiegende Teil von Mary Clarences Familie weiß nichts von ihrem Status. „Meine Familie in Kamerun würde den Kontakt zu mir beenden, zu groß sind die Vorurteile. Da ich in Therapie und unter der Nachweisgrenze bin, kann ich niemanden anstecken. Aber das würden sie nicht verstehen“, so Mary Clarence.

Wegen ihrer Infektion musste die 35-Jährige auch ihren Job wechseln. „Ich habe in der Altenpflege gearbeitet, das war dann nicht mehr möglich. Dank der Hilfe vom FFZ habe ich eine Umschulung als Bürokauffrau gemacht und in dem Beruf arbeite ich jetzt noch.“

Damit die Frauen mit ihren Kindern auch mal das gewohnte Umfeld verlassen, bietet das FFZ für 15 Familien zweimal im Jahr eine Wochenendfahrt an. Hier können sich die Kinder mit anderen Kindern austauschen, gemeinsam etwas unternehmen und die Erwachsenen haben Freiraum, um ihre Sorgen und Nöte etwas zu vergessen. Auch Mary Clarence ist jedes Mal dabei. „Es tut gut, sich auszutauschen und seine Erfahrungen anderen weiterzugeben.“

Um die Fahrten allerdings durchführen zu können, ist das Frauen- und Familienzentrum auf Spenden angewiesen. Seit 20 Jahren hilft der Soroptimisten Club Köln Römerturm finanziell dem FFZ, so können die Fahrten jedes Jahr angeboten werden. Ihrer Tochter hat Mary Clarence allerdings noch nicht gesagt, dass sie HIV-positiv ist, so wie die meisten Frauen, die bei der Wochenendfahrt dabei sind. „Wenn sie größer ist, werde ich es ihr sagen. Aber für mich steht schon fest: Ich werde das Gespräch gemeinsam mit Birgit oder Doris vom FFZ mit meiner Tochter führen.“

Mehr Informationen zum Frauen- und Familienzentrum der Aidshilfe Köln finden Sie hier. Sie wollen das Frauen- und Familienzentrum unterstützen? Dann können Sie hier spenden.

*Name von Redaktion geändert

Im Rahmen der Welt-Aids-Tag Aktionswoche 26.11 – 1.12.2018 führt die Aidshilfe Köln zahlreiche Aktionen durch, um auf die aktuelle Situation von Menschen mit HIV aufmerksam zu machen und um weiterhin bestehende Vorurteile abzubauen.

Pressekontakt

Erik Sauer
Telefon: 0221 / 20203-43
sauer@aidshilfe-koeln.de